Lesezeit: 2:15min | Auch im Winter sind Gärten eine inspirierende Quelle.
Gartenarbeit war nie mein Ding. Von Natur aus ist ein Garten an das Haus gebunden und steht damit im Widerspruch zu meinem inneren Ich. Allerdings schätzte ich nicht-häusliche Gärten, also die Wildnis, sehr. Ich ertappte mich mehr als oft dabei, wie ich ehrfürchtig unter Bäumen stand und über die schiere Kraft des Lebens nachdachte.
Naturschutz war nie eine Sache, mit der ich mich beschäftigt habe, aber ich habe die Natur als ebenso lebenswichtig für die Gesellschaft verstanden wie die Kunst. Obwohl ich ein typischer Stadtmensch war, konnte ich eine Buche, eine Eiche oder eine Linde unterscheiden. Auch die Welt der Büsche und anderer kleineren Pflanzen war mir nicht fremd, jedenfalls nicht viel weniger als das Rätselraten berühmter Künstler in Museen (ist das nicht ein Uecker da drüben, mit den vielen Nägeln?).
Die Wertschätzung der Natur war immer Teil des Hintergrunds meines Aufwachsens. Dann starb meine Mutter und ich erbte ihren kleinen Stadtgarten.
Ihr Garten wurde zu meinem Der Kleine Prinz Planet, der mir unschätzbare Einblicke in die Natur gab. Als ich anfing, mich widerwillig um die verwaisten Pflanzen zu kümmern, wurde mir langsam klar, dass Pflanzen Pflege brauchen, da sonst die kräftigeren Pflanzen autoritär regieren werden. Unweigerlich wird sich der Garten in eine Wildnis verwandeln.
Am Anfang habe ich mir gesagt, dass Wildnis eine gute Sache ist, dass das ideologisch und biologisch das ist, was die Natur ausmacht. Und um das auf die ultimative Konsequenz zu reduzieren, muss die Menschheit wohl verschwinden. Aber dann habe ich begriffen, dass die Menschheit nicht verschwinden, sondern bleiben wird. Ich habe verstanden, dass die Menschheit sich wie Giersch im Garten verhält und jede Nische, in die sie kriechen kann, übernehmen wird.
Weil wir angeblich intelligenter sind als Giersch, dachte ich mir, dass wir uns selbst gärtnern sollten. Das erfordert ein freundliches Beschneiden der Starken und ein Pflegen der Schwächeren. Mir ist aucn aufgegangen, dass es in einem Garten nicht um Ordnung und Sauberkeit geht. In einem guten Garten geht es um Vielfalt und Respekt. Wenn ich mir Gärten in meiner Umgebung anschaue, sehe ich Unterschiede in der Kultur, z.B. einen japanischen Steingarten im Vergleich mit einen traditionellen englischen Garten. Aber die wirklich großen Beispiele (nicht nach Größe) glänzen durch ihre schiere Vielfalt und den Respekt, den die Gärtner selbst dem kleinsten Moos zollen. Es ist nicht winzig. Es ist ein wichtiger Teil des großen Ganzen.

Im Herbst haben sich einige kleine und weniger kleine Vertreter komplett zurückgezogen (z.B. die tränenden Herzen), die meisten Pflanzen haben ihre Blätter verloren. Jetzt im Winter zeigt sich der Garten von seiner nackten, verletzlichen Seite. Die immense Farbenvielfalt meines Gartens ist auf ein paar schmutzige Grüntöne reduziert. Dunklere Brauntöne beherrschen jetzt das Bild. Doch einige meiner grünen Freunde wecken mit ihren Knospen Hoffnung. Selbst bereits einige Blüten weisen auf eine Zukunft voller Wunder hin, wenn das Leben wieder seine Kraft zeigt. Gärten im Winter genau zu beobachten, inspiriert die kommende Zukunft auf so vielen Ebenen.
Heute stehe ich mehr denn je in Ehrfurcht unter einem Baum. Ich habe diese ehrfürchtige Haltung auf jede andere Pflanze ausgedehnt, die ich sehe. Und ich habe begonnen, mich im Naturschutz zu engagieren. Ein Toast auf meine Mutter, sie wusste es alles.