KreativitätKognitive FarbtheorieDie versteckte Bedrohung

Die versteckte Bedrohung

Lesezeit: 3:10min | | Warum die Unterscheidung von Signalfarben und Konsumfarben hilft, den Inhalt von Bildern zu verstehen.

Basierend auf dem folgenden Bild Ground Swell, möchte ich kurz erklären, wie die kognitive Farbtheorie funktioniert. Auf diese Weise werden wir besser verstehen, wie Maler ihre Arbeit tun, besonders wenn man Edward Hopper heißt.

Die Geschichte spielt im Sommer 1939, zweieinhalb Jahre vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Edward Hopper hat sich bei der Interpretation seiner Bilder sehr zurückgehalten. Daher liegt es an uns, selbst zu entscheiden, was wir mit dem Bild machen. Aber der Einmarsch in Polen am 1. September 1939 stand unmittelbar bevor.

Wir

Wir sehen einen roten Punkt auf hellbeigem Hintergrund, umrandet von Blau. Der rote Punkt symbolisiert das Kopftuch und das Bikinioberteil der jungen Frau. Der beige Teil steht für die jungen Männer, und das Blau steht für das Meer und den Himmel.

Was das Farbkonzept betrifft, so ist der Hautton der nackten Oberkörper der drei jungen Männer, die Signalfarbe, die die Augen leitet. Es dauert keine Sekunde, um die Anzahl der jungen Männer zu zählen.

Aber erst auf den zweiten Blick erkennen wir, dass es noch eine weitere Person gibt, die junge Frau. Ihr rotes Kopftuch und der Bikini führen uns zu ihr und wecken dann unser Interesse – was macht eine junge Frau im Bikini auf einem Segelboot mit drei Männer? Ihre dunkelblaue Hose erkennt man erst auf den dritten Blick, weil sie sich in der vermeintlichen Irrelevanz der Konsumfarbe Blau verbirgt.

Auch wenn sie nicht der Mittelpunkt des Bildes ist (oder ist sie es?), was wohl das hellbeige Rechteck ist, spielt sie eine wichtige Rolle. Die Interpretationsmöglichkeiten sind vielfältig. Ich belasse es beim Bikini als Symbol für fortschrittliche Gesellschaft und sexuelle Freiheit in der damaligen Zeit. Auch die Tatsache, dass sich drei jungen Männer und eine Frau auf dem Boot befinden, bricht mit den Werten der damaligen Zeit und kann als ausgesprochen fortschrittlich angesehen werden.

Doch der Hauptinhalt der Geschichte, die Grundsee und der sich leicht verdunkelnde Horizont als Vorboten eines Sturms, der das Leben der Jugendlichen gefährden könnte, spielt sich in der Konsumfarbe Blau ab. Das wird daher in seiner Bedeutung vom Betrachter leicht übersehen. So ist in der Abstraktion der Fahne das Ausmaß der Fallhöhe nicht sichtbar. Und das ist gewollt. Oftmals kommen Bedrohungen auf leisen Sohlen. Edward Hopper wusste genau, was er tat, er wollte es seinem Publikum nicht leicht machen.

Wie für jungen Crew damals sieht alles auf den ersten Blick einfach und offensichtlich aus. Doch bei genauerem Hinsehen entdecken wir eine tiefgründigere Geschichte mit mehreren Schichten. Wir sind nun versucht zu verstehen, was in den blauen Teilen des Gemäldes geschieht. Offensichtlich ist da die Boje. Und natürlich die Welle.

Wenn man den historischen Kontext kennt, könnte dies die Geschichte sein:

Eine Gruppe von vier jungen Leuten, drei junge Männer und eine junge Frau, bereitet die Segelyacht eines der wohlhabenden Väter der Freunde im Hafen auf einen entspannten Segeltörn vor. Das Wetter ist sommerlich, ein bisschen schwül vielleicht, aber es weht ein warmer Wind, etwa 2-3 Beaufort. Als sie den Hafen von Pamet, South Truro, MA, verlassen, lässt der Wind nach, es droht Flaute, die Sonne brennt. Die junge Frau an Bord, sie ist die Freundin des Skippers, zieht ihre Bluse aus. Unter der Bluse trägt sie einen Bikini. Die jungen Männer ahmen sie nach, die Stimmung ist enthusiastisch, sie sind unter sich und blicken in eine strahlende Zukunft.

Mit der Strömung driften sie an der Küste entlang, nur um herauszufinden, dass sie sich auf der falschen Seite des Tonnenstrichs befinden, die eine Sandbank markiert. Gerade als der Skipper das Boot nach Backbord steuert, um wieder in den Tonnenstrich zu gelangen, läuft eine dreifache Welle durch und schüttelt das Schiff und die Boje. Die Glocke der Boje erklingt müde.

Klack. Edward Hopper drückt den Auslöser seiner Kamera.

Der junge Mann am Ruder hat einige Erfahrung und blickt mit Sorge zum Horizont. Schöne Stratuswolken am fernen Horizont erzählen ihm die gleiche Geschichte wie die Cirruswolken am Himmel: ein Sturm zieht auf. Die kleine Wellenkaskade ist eine Dünung, die ohne Wind der Vorbote einer schweren See weit draußen ist. Glücklicherweise kentert die Strömung und zieht das Boot rechtzeitig vor dem ersten starken Wind zurück in den sicheren Hafen.

Kommentar verfassen