Lesezeit: 2:00min | Warum wir Blau so mögen.
Die Hand auf der linken Seite gehört dem Künstler Yves Klein (1928 – 1962).
Wenn wir über Blau sprechen, sprechen wir über eine Farbe, deren Ausbreitung unaufhaltsam ist. Manche Stimmen sagen, die Welt verblaut. Dafür gibt es viele Gründe, wie zum Beispiel den Siegeszug der Blue Jeans. Kein anderes Kleidungsstück ist so omnipräsent und doch so farb-spezifisch. Ändert man die Farbe einer Bluejeans, wird sie zu einer beliebigen Hose und verliert ihren Status als Jeans.

Blue Jeans sind praktisch. Sie schlucken gut Schmutz und werden gerne alt. Die Regel lautet: Je älter und zerrissener, desto besser. Ok, natürlich nur bis zu einem gewissen Grad. Und sie sehen verdammt gut an uns aus. Und das liegt, welch Wunder, an der blauen Farbe. Das Blau einer perfekten Jeans liegt auf der kühlen Seite und bildet einen starken Warm-Kalt-Kontrast zum Hautton. Menschen sehen in Jeans gesund aus. Zugleich ist das Blau der Jeans eine perfekte Konsumfarbe im besten Sinne. Sie ist da, ohne zu dominieren und unterstützt die anderen Farben unseres Erscheinungsbildes.
Die perfekte Jeans trägt ein stolzes, ausgewaschenes Preußischblau. Die Existenz von Preußisch Blau verdanken wir dem Alchemisten Johann Jacob von Diesbach, der 1706 nach Berlin geschickt wurde, um Farben für den preußischen Hof zu entwickeln. Er teilte sich das Labor mit seinem Kollegen Johann Conrad Dippel, dessen Spezialgebiet das klassische Thema der Goldherstellung war. Eine von Dippels Tiegel war verunreinigt. Als von Diesbach Karminrot herstellen wollte, reagierte die Verunreinigung mit dem Rot und machte es tiefblau. Preußischblau war erfunden und ersetzte das sündhaft teure Ultramarin, das damals aus Lapislazuli gewonnen wurde und aus dem fernen Afghanistan importiert werden musste, als billige Alternative. Das Original-Preußischblau existiert heute noch als Mittel gegen radioaktive Vergiftungen und steht auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel.
Die Farbe Preußischblau kann als das Blau schlechthin bezeichnet werden. Es sitzt in der Mitte des Blaus und ist die Grundlage für andere Blautöne, z. B. Ultramarin. Beide Blautöne sind in ihrer Wirkung weit voneinander entfernt. Ist Preußischblau ein neutrales Blau ohne viel eigene Meinung, so wirkt das leicht ins Rote tendierende Ultramarin in voller Sättigung wie eine brutale Aussage, die sich nach kurzer Zeit als psychologisch hochwirksam erweist. Es verwischt die Konturen und ermüdet die Augen.

Wer schon einmal lange in eine Blue Box blicken musste oder eine Yves-Klein-Ausstellung erlebt hat, weiß um die sedierende Kraft des Ultramarins, das in der richtigen Umgebung sogar als einziges Signalblau fungieren kann. Yves Klein nannte eine seiner Ausstellungen The Void (1958). Sie handelte von einem leeren Raum, der die innere Bedeutung seiner Sucht nach Ultramarin offenbart. Das fasst ganz gut zusammen, worum es bei Ultramarin geht.

Blaue Jeans in Ultramarin fühlen sich falsch an. Erst durch langes Tragen und viele Wäschen wandelt sich der Blauton in ein neutraleres, kühleres Preußischblau und entfaltet seine volle Wirkung als sanfte Unterstützung für unseren Hautton.