KreativitätWird bleiben: die Leica SL2-S

Wird bleiben: die Leica SL2-S

Lesedauer: 2:45 | Ich finde die Namensgebung von Kameras im Fotografie-Land null inspirierend – was ziemlich bezeichnend ist. Was für eine Zielgruppe haben die Hersteller im Sinn, wenn sie ihre Produkte nach Zahlen und Buchstaben taufen, R5, A7IIIs, S1H, Z6II, XT-4, SL2-S? Buchhalter, Ingenieure, Programmierer, technikbegeisterte Männer?

Im Kino-Land haben die Kameras Eigennamen. Sie heißen Alexa, Amira, Venice oder Monstro. Sie inspirieren ihre Crews, ohne sich viel um Zahlen zu scheren, selbst wenn es um Spezifikationen wie die Sensorauflösung geht (eine Arri Alexa von heute löst 4K auf im Vergleich zu einer Canon R5 bei 8K). Kinokamera-Ingenieure wissen, dass Zahlen nicht viel zählen, wenn es um die Kreativität ihrer Klientel geht. Sie wissen, dass es vor allem um Farbe geht.

Warum also ist das im Land der Fotografie so anders? Zum Teil, so denke ich, liegt das an der Kundenklientel, nämlich dem technikaffinen, unter dem Gear-Acquisition-Syndrom (GAS) leidenden Mann mittleren Alters mit Geld zum Ausgeben. Die Marketingexperten der Kamerahersteller wissen, wie sie das ausnutzen können.

Und zum Teil auch, weil die Fotografie, anders als die Cinematografie, keine rein professionelle Domäne ist. Die meiste professionelle Fotoausrüstung wird von Hobbyisten gekauft, die dazu neigen, der Philosophie zu folgen, dass größere Zahlen besser sind und ihre Ausrüstung als Spielzeug verstehen (was für mich vollkommen in Ordnung ist).

Der Spielzeug-Aspekt der Fotoausrüstung ist der Grund, warum die Kunden solcher Kameras oft nicht tief in die Bildgestaltung im künstlerischen Sinne involviert sind, sondern sich eher an der technischen Seite des Prozesses bei der Erstellung von Bildern erfreuen. Dennoch brauchen sie einige Eckpfeiler zur Orientierung: Zahlen, die in den Handbüchern der Kameras und in der Werbung stehen und im Netz heiß und innig diskutiert werden. Für Cinematographen und einen Teil der professionellen Fotografen ist dieser Eckpfeiler jedoch immer noch die Farbe.

Dieses Bild ist Teil einer Kampagne, die ich für Eurosite und GPI/UNEP entwickelt habe. Aufgenommen mit dem Leica SL2-S bei 50mm und f 4.0 mit dem 24-90 Elmarit

Hier kommt Leica als Hersteller von außergewöhnlichen Fotokameras und Objektiven ins Spiel. Leica hat eine solide Basis an konservativen Kunden, die zum großen Teil Hobbyfotografen mit großem Geldbeutel sind. Aber es gibt auch professionelle Leica-Anwender, die die Marke für die Qualität ihrer Ausrüstung und ihre Einstellung sehr schätzen.

Apropos Haltung: Leica argumentiert nicht mit Zahlen. Ihr Argument ist Tradition und Handwerkskunst. Ihre Produkte werden in Deutschland, Portugal und Japan gebaut. Sie beteiligen sich nicht am Wettlauf nach unten der Billigarbeit. Ein humanistisches Weltbild prägte das Erbe von Leica. Im Dritten Reich, unter der Naziherrschaft, kurz vor dem Holocaust, hat Ernst Leitz II. hunderte jüdische Mitarbeiter in Auslandsvertretungen eingesetzt, um ihnen zur Flucht zu verhelfen. Diese Haltung ist bei Leica immer noch sehr lebendig und weitet sich heute auf LTBTQ+, Feminismus, Vielfalt und Rassengleichheit aus.

Vor diesem historischen Hintergrund von Wahrheiten, Fakten, Handwerkskunst und humanistischer Tradition musste Leica seine Farbwissenschaft im digitalen Zeitalter zu etwas formen, mit dem sich das Leica Publikum identifizieren kann. Leicas Farbinterpretation musste genau das sein: getreu der fotografierten Umgebung und traditionell in der Interpretation dieser Umgebung, ohne Fakten zu beschönigen. Das gilt auch für Hauttöne.

Das ist der Grund, warum sich Bilder, die mit einer Leica aufgenommen wurden, für ein europäisches Auge richtig anfühlen. Hauttöne, das Blau des Himmels, das Grün des Laubes und die Rottöne von Blumen und Stoffen sind bis in die tiefsten Schatten gesättigt, aber nie übertrieben oder im Sinne von „wow“ und “ ah“ leuchtend. Das Gleiche gilt für die Weißtöne, die sanft zu einem entsättigten Weiß auslaufen.

Der große Dynamikumfang und die Farbtiefe der Leica ermöglichen S/W-Bilder von einem Farbsensor, der eine gute Rot-Weiß-Filterung nachahmt, ohne dass beim Anlegen von Chroma-Keys Rauschen entsteht. Mosibruch-Moor, Rheinland-Pfalz 2021, Foto: Hans von Sonntag

Mit der SL2-S hat Leica im besten Sinne eine Non-Nonsense-Kamera auf den Profi-Markt gebracht, aber eben nicht die Speerspitze der Kameratechnik. Sie liefert mit guten Objektiven Bilder, die keine Fragen offen lassen. Und das tut sie auch im Videomodus. Diese Tugend ist selten zu finden und eine enorme Zeitersparnis.

Das ist der Grund, warum ich mir die Leica SL2-S zusammen mit dem unübertroffenen Allzweckzoom 24-90 Elmarit gekauft habe. Da ich nicht an GAS leide und mir bei Kameras vor allem die Farbwiedergabe wichtig ist, haben die Leica und ich eine große Chance, noch lange zusammenzuarbeiten.

(Für die Nerds:

Die Leica Sl2-S löst mit 24 Megapixeln auf, was einer Auflösung von 6K im FF-Format und 4K im APS-C- oder S-35-mm-Format entspricht. Mit dieser moderaten Auflösung (nichts, womit man in der Kneipe prahlen könnte) sind Leicas Foto-Pixel relativ groß, was der Farbsättigung und der Empfindlichkeit zugute kommt.

Die Rohdaten eines Fotos werden in DNG-Dateien gepackt, ein offener Standard, der sie für jedermann leicht lesbar macht. Die JPEG-Engine der Leica ist nichts Spektakuläres, tut aber das, was man erwarten würde.

Die AF-Algorithmen funktionieren bei Personenaufnahmen in Fotos gut, bleiben aber im Videomodus mit kontinuierlichem Follow-Focus-Autofokus weit hinter der Konkurrenz zurück. Hier ist der manuelle Fokus die beste Praxis. Das ist kein Problem, denn bei Filmaufnahmen ist das Nachziehen des Fokus ohnehin ein wichtiger Teil der Bildgestaltung.

Auf der Videoseite verfügt die SL2-S über eine Eins-zu-eins-Pixelauslesung im gecroppten S-35 mm/APS-C-Modus mit 4K-Auflösung. Im FF-Modus werden die Sensordaten von 6K auf 4K heruntergerechnet (Oversampling), was den Videodateien etwas mehr Saft verleiht. In beiden Auflösungsmodi fügt die Leica den Videodateien bei der Kodierung in L-Log kein De-Noising hinzu. So zeigt das Videomaterial je nach Belichtung und ISO eine angenehme Textur, die man sonst nur bei richtigen Cine-Kameras findet.

Der Videofarbraum des SL2-S basiert auf Rec 2020, dem internationalen HDR-Videofarbraum, in L-Log. Das macht es einfach, mit Leicas Filmmaterial in farbgemanagten NLEs und Finishing-Anwendungen zu arbeiten. Bei der Verwendung von L-Log-kodierten Dateien in herkömmlichen Rec 709-Umgebungen werden die Farben jedoch verfälscht (Hauttöne weisen einen Magentastich auf). Um dies zu kompensieren, bietet Leica entsprechende LUTs an, die die L-log-kodierten Rec 2020-Dateien in Gamma- und farbraumkorrigiertes Rec 709-Filmmaterial umwandeln.

Das Video der SL2-S wird in 4:2:2 in 10 Bit mit 400 m/bits aufgezeichnet, was für viele Anwendungen ausreichend ist, um die außergewöhnliche Farbtreue der Kamera zu transportieren. )